Die Himmelsschalen
Betrachtung zu einer Radierung von Jörg Faak
In einer blauen Atmosphäre schweben drei Körper, die miteinander zu kommunizieren scheinen. Eine fast runde, globusähnliche Kugel befindet sich in der Mitte, umfasst von einem großmaschigen Netz, das die Oberfläche der Kugel in acht Segmente unterteilt, dabei Durchblick ins Innere zuläßt. Der Äquator der Kugel teilt das Bild in einen oberen und einen unteren Bereich, nicht ganz im goldenen Schnitt.
Die flache, aus Waben bestehende Scheibe in der linken Ecke darunter, greift die dreieckförmigen Segmente der Kugel noch einmal auf, in ihrem Umfang gleicht sie selbst einem abgerundeten Dreieck. Das unregelmäßige Wabenmuster darin verdichtet sich in der ungefähren Mitte zu einem dunkleren Kern in Beerenform. Vielleicht ist es auch ein umgekehrt liegendes Herz.
Am oberen Rand des Blattes, dort, wo etwa auf Kinderbildern die Sonne sitzt, streckt ein Pflanzengebilde seine Fühler der Kugel entgegen, ein nach allen Seiten offenes, dornengestrüppartiges Gewächs. In seiner Mitte teilen sich kreuzförmig seine Zweige.
Diagonal über das Blatt zeigen sich also Dreieck, Kugel und Kreuz. Das Dreieck in der Scheibe des Wabengebildes, die Kugel als die zentrale Figur und das Kreuz in den Zweigen und Ausläufern der Pflanze.
Die beherrschende Gestalt des Bildes, die Kugel in der Mitte, birgt in ihrem Inneren einzelne wolkengleiche Einheiten, rundliche Monaden, unpersönliche Lebewesen. Das geheimnisvolle Geschehen befindet sich noch in embryonenhafter Phase, vorläufig gehalten und geborgen. Diese Kugel, die auch ein Kern sein könnte, stellt sie die Himmelsschalen dar für das, was sich darin befindet und wäre den Kreaturen ihres Innenraums die Welt?
Die Monaden mögen sich teilen, sich vereinen, die drei organischen Körper sich annähern, auf einander beziehen und sich wieder entfernen, alles ereignet sich in stillebenhafter Ruhe, Entrücktheit und einer eigenartig gleichgültigen Kühle.
In dieser Welt des Stillen, des Zarten und des Sonnenlosen fehlt jede Dramatik und bewegtes Auf und Ab. Eine sanfte Bewegung findet in dem blauen Mikrokosmos statt, sacht und schwerelos, wie Ballons in lockerer Formation am Himmel schweben.
Blau ist die Farbe der tiefen Himmelsferne, die bevorzugte Farbe von Jörg Faak. Auch diese Radierung ist ganz in Blau gehalten. Das hohe Maß an Respekt, das Jörg für die Natur hatte, wird damit perfekt ausgedrückt, denn die Wirkung der Farbe ist hinsehnende Distanz und illustriert in Jörgs Werk als poetische Idee gemeinsam mit der behutsamen formalen Struktur und dem Bildgegenstand selbst „das sanfte Gesetz der Schönheit, das uns zieht“ (Adalbert Stifter).
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Ganz anders Im Blau von Wassily Kandinsky. Ein kurzer Blick auf das Bild – es befindet sich in Düsseldorf – scheint mir im Vergleich interessant genug, um erwähnt zu werden. Auch hier bewegen sich vor einem blauen Hintergrund geometrisch abstrakte Figuren, die sich überschneiden, überlagern, größere Einheiten bilden. Zu erkennen sind Pendel, Schiffe, Wimpel und Leuchtturm, ein halber Mond, eine Wolke bzw. Rauch. Allein mit seiner üppigen Farbpalette gewinnt Kandinsky verschwenderisch klangliche Proportionen. Das unbedingt hinzugedachte soziale Geschehen ist eine kräftige, vielleicht sogar krachende Märchenwelt.
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Zugeeignet ist Blatt 25 der Himmelsschalen Wilhelm Beyer. Es trägt den Titel
Die Himmelsschalen schicken in ihrem Blau ihre Heilkraft.