Jörg Faak, Yogi

Ein Nachruf auf Jörg

Ein Nachruf dem Gestorbenen, ein Vorwort dem Leben! Dies ist in aller Liebe gemeint, im Sinne eines Kommentars zu Jörgs Leben, Sterben und Transzendieren, zu seinem Wirken und Bewegen durch sein Studieren, Schaffen und Meditieren. Im Sinne –nicht zuletzt– eines Kreislaufs aus Leben, Tod und Wiedergeburt.

і Streben nach Erkenntnis !

Durch Jörg habe ich gelernt, was es bedeutet, Künstler zu sein. Wie kein anderer war Jörg tief im Innersten der Kunst verpflichtet. Dabei war seine Antriebskraft stets das Streben nach Erkenntnis, das in Perfektionierung der Technik liegen konnte, das im Erschließen von Themen liegen konnte, das im Erspüren von Zusammenhängen und dem Sichtbarmachen von Gedachtem und Erfühltem liegen konnte.

і Die Zeichnungen !

In vermutlich Tausenden Zeichnungen (in Tusche auf Aquarellpapier) offenbart sich Jörgs Arbeitsweise. Es erwuchsen aus seiner Arbeit, seinen Studien, der Mathematik und der Philosophie gleichermaßen Wahrnehmungsketten, die sich dann als Themen in zahlreichen täglichen Zeichnungen manifestierten, sich immer und immer wieder aufs Neue variierten, veränderten und als Schaffensprozess im Ringen um Nuancen der Darstellung hervorarbeiteten. Die Themenbereiche umfassten anatomische Darstellungen, technische Darstellungen (beides immer verbunden mit dem Bestreben um Sichtbarmachung feinstofflicher, seelischer Strukturen), Kommunikationsformen auf feinstofflicher Ebene, Einfindungen von Seele in Materie, Einwirken von Kräften in seelische Strukturen (beides immer im Sinne eines Schöpfungsaktes), Keimesstudien, organische Formwerdungen, Bewegungsstudien, Wirbelbildung, Strukturbildung, Clusterbildung, Zellteilung, häufig auch Darstellungen vom Scheitern solcher Vorgänge, vom Ineinanderwirken verschiedener unterschiedlicher Kräfte, die sich in ihren Bewegungen stören, usw.

Zusammen mit seiner Dichtung erscheinen mir Jörgs Zeichnungen stets als das unmittelbarste und reinste Instrument seines künstlerischen Schaffens. Immer schnell und präzise, gestochen scharf in ihrer Darstellung und ihrem Geist.

і Die Kästen !

Ende der 80er Jahre entstanden weit über Hundert „magische Objekte“. Meist waren es Holzkästchen, in die Jörg allerhand Fundstücke aus rostigem Metall, Kupferdraht, alte Werkzeuge, Federn, Holzstücke usw. anordnete, ineinander verkeilte und dadurch künstlerisch Assoziationen und Wahrnehmungen manifest werden ließ. Themen wie Kommunikationsversuche, Energiespeicherung und –fluss, männliche und weibliche Prinzipien wiederholten sich. Bisweilen ergaben sich Thema und Titel auch aus den verwendeten Materialien; z.B.:

„? Was alles der Morgen ist ?“, „Sri Aurobindo says… і In Liebe !“, „Kleiner Krieger in voller Bewaffnung eines Pinsels“, „Gescheiterter Versuch einer Communication“, „Erneuter Versuch, das Seelische zu messen…“, „Elektrische Sachen“, „Was verschieden ist, ?? wie kann es, wenn es will ??“, „і Bis dass 2 Steine ein-ander begegnen !“, „Aufsteigendes Leben“, „Die Magie kommt vor dem Fliegen.“

Leider sind diese Objekte bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr erhalten.

і Die Malerei !

Die Malerei ist langsamer. Jahrelang geht es Jörg um das Einstudieren von Techniken, das Nachempfinden und Begreifen von Arbeitsweisen alter und neuer Meister in Technik, Form und Thema, fast manisch, auf die Spitze getrieben, immer und immer wieder, bis eine Technik, eine Sichtweise, eine Malweise ganz verstanden, ganz sein Eigen wurde. Nach Portraits, Kreuzigungsszenen, abstrakten Bildern und einer Vielzahl von Stillleben (meist Hommagen an andere Künstler), halten endlich zögernd auch Themen und Zitate aus den Zeichnungen in seinen Bildern Einzug: Es erscheinen Pferde, bewaffnete Krieger und häufig ein kleiner Zauberer mit spitzem Hut, Zauberstab und Trompete. Er ist ein Bild aus Jörgs Kindheit, wohl ein Stück Künstler selbst. Die Trompete gibt es noch. Ferner kommen immer wieder kleine Kreuze vor: Ortsbestimmungen, Versatzstücke aus der Geometrie. Die Buchstaben „o“ und „t“ sind Kurzzeichen in den Bildern für weibliches bzw. männliches Prinzip. Blau verwendet er sparsam.

Eine Reise nach London 1997 und eine anschließende Krankheit bringt eine scharfe Zäsur. In einem Brief schreibt er: „Seit ich krank bin male ich in blau! Wahnsinn,…, was für eine Farbe! Ein völlig neues Lebensgefühl. Und ich komme voran, langsam aber sicher.“ Er „entdeckt“ die Farbe Blau! Mit der Farbe wandeln sich auch die Inhalte der Bilder dramatisch. Spirituelle Räume öffnen sich. Es entstehen Erkenntnisse über die Verhältnislosigkeit von Ausdehnung und Raumgefüge, von Mikrokosmos und Makrokosmos. Strukturen erwachsen, Wabenformen, Spiegelungen und Selbstähnlichkeiten (ganz im Sinne Benoît Mandelbrots). Es scheinen Orte zu entstehen, deren Kräfte in statischer Balance befindlich sind, Orte an denen die Schöpfung ursprünglich gestalterisch manifest wird, an denen kosmische Ordnung aus dem Chaos heraus beginnt. Grenzen verschwinden zwischen den Elementen Wasser und Luft, zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Außen und Innen, zwischen physischem und geistigem Raum. Über Jahre hinaus, bis zum Schluss, malt Jörg fast ausschließlich in monochromem Blau.

і Die Fragen !

Natürlich wird diese kurze Beschreibung Jörgs Werk in keiner Weise gerecht. Die Einschätzungen sind subjektiv, einige Bereiche wie Graphik und Lithographie habe ich ganz außer Acht gelassen.

Neben der Kunst war Jörg viele Jahre lang die Sprache ein ebenso wichtiges Werkzeug. Es mögen wohl Tausende Gedichte existieren und eine unglaubliche Vielzahl anderer literarischer Werke. Seine Schaffenskraft war ohnegleichen! Immer getrieben vom Wunsch nach Erkenntnis, nach Verständnis der Welt und des Universums, motiviert durch das Streben nach spiritueller Entwicklung. Sein Denken, Handeln und Schaffen kreiste immerwährend um Fragen nach Seele, nach der Tektonik der Welt, nach den Prinzipien hinter der sichtbaren Oberfläche der Dinge, nach inwendigen Strukturen und Rhythmen, nach den einfachsten Gesetzen von Raum und Zeit, nach dem Göttlichen im Menschen. In allem: nach kosmischer Einheit, die zu erkennen ihm kraft der Liebe größtes Ziel war.

Für Jörg war es eine ständige Herausforderung in Kunst und Schrift immer wieder aufs Neue Näherungen an Antworten zu diesen Fragen zu formulieren. In diesem Sinne waren sie mehr als bloße Motivation, sie waren beständige Quellen für Themen seiner Arbeit und Entwicklung.

і Das Vermächtnis !

Jörg hinterlässt uns neben seinem umfangreichen Werk, von dem nur ein sehr kleiner Teil hier gezeigt ist, ein weit großartigeres Vermächtnis: reichhaltiges Gedankengut, das er immer freigiebig und in Liebe teilte! Gedankengut über das er sagte, dass es einmal gedacht, nie wieder verloren gehen würde. Ebenso freigiebig schenkte er Zuneigung, Lebensfreude und wiederum Liebe! Verstanden als Form feinstofflicher Energie, geht auch diese Liebe –nach dem Energieerhaltungssatz– nie verloren. Dieses Vermächtnis möge uns als Aufgabe gereichen, zum Bewegen der Welt!

Frank Buschenhagen